Moni und ulf
Anleitung zum Glücklichsein
Außergewöhnliche Menschen, das sind oft die Verrückten. Die verrückt aufs Leben sind, verrückt aufs Erleben, verrückt danach, alles zu geben. Die alles auf einmal begehren, die nie gähnen oder belanglose Dinge sagen, sondern brennen wie ein Feuerwerk über dem Meer. Wir haben zwei dieser außergewöhnlichen Menschen hier oben an der Küste getroffen und durften ein paar Stunden mit ihnen staunen, sie bewundern und ebenfalls ein wenig mitverrückt sein.
Vor vielen Jahren setzten sie Segel, um der endlosen Hast ihres Alltags den Rücken zu kehren. Seit ihrer Kindheit ist Monika und Ulf seit 1978 auf den Meeren unterwegs und wollen nicht mehr damit aufhören. Und wenn sie doch mal zur Ruhe kommen und Anker werfen, dann nur im Heimathafen Hooksiel.
"Die Jan Maat: unser dickes, zickiges, pubertierendes Kind“
Wenn bei den meisten Menschen am Freitag Nachmittag das Wochenende so langsam beginnt, legen Monika und Ulf erst richtig los. Klamotten packen, alles mitnehmen, jetzt bloß nichts vergessen und los über die Autobahn ins 60 Kilometer entfernte Wangerland an der Nordsee. Auf Schnickschnack stehen die beiden nicht. Praktisch muss es sein und vor allem anders als die Anderen. Das Patchworkpaar mit drei Kindern und acht Enkelkindern – selbstverständlich „fast“ alle mindestens genauso segelverrückt wie sie selbst oder zumindest seetauglich – haben ein weiteres, ganz besonderes Kind: „Jan Maat“, 30 Tonnen schwer und ein Selbstbau-Traditionssegler ohne Anleitung zum „Glücklichsein“. Das schöne Holz, die alten Linien, die schiere Größe, gepaart mit den Spuren des bisherigen Arbeitslebens, diese Patina macht bei der „Jan Maat“ den ganz besonderen Reiz aus. „Als wir das Schiff kauften, haben wir uns einen sehr langen Traum erfüllt“, sagt Monika. „Allerdings hat uns der Vorbesitzer dieses Schiffes keinerlei Unterlagen zur Verfügung stellen können, so dass wir über Jahre mit sehr viel Zeit und Geduld unser „dickes, zickiges, pubertierendes Kind“ erst einmal kennenlernen und erziehen müssen. Wir wollten etwas haben, was sonst keiner hat – ein Unikat, so wie wir es sind!“
Der Soundtrack zur Geschichte von
Monika und Ulf sind zwei Menschen, die einfach das tun was sie lieben. Ihr Motto: Loslassen und sich selbst und auch alles andere nicht immer so ernst nehmen. Sie sind auf dem Meer zuhause, sind angekommen. Egal ob Mittelmeer, Atlantik oder Nordsee – sie kennen viele Reviere und noch mehr schöne Häfen. Auf die Frage, warum sie sich als Heimathafen Hooksiel im Wangerland ausgesucht haben, fällt die Antwort recht eindeutig aus: „Hier leben unsere Freunde und der Hafen ist nicht nur schön, sondern geschützt und tideunabhängig. Hier liegen wir sicher, kennen einfach jeden und trotzdem wird es nie langweilig. Der Alte Hafen von Hooksiel ist wunderschön und entspannt. Hier kann man in Ruhe sein Bier genießen, nette Menschen treffen, über die Welt philosophieren und einfach so sein wie man ist. Wenn man genug hat, macht man die Luken zu und geht schlafen. Am nächsten Morgen genießen wir unsere Brötchen an Bord und sind in Gedanken schon wieder am Segel setzen. „Dat ist unser Ding!“, sagt Ulf.
Wie erklärt man die Faszination des Segelns jenen, die immer nur an Land bleiben? Der Wind pfeift immer um die Ohren. Die Finger tun oft weh. Blaue Flecken am ganzen Körper. Unter Deck haut man sich den Kopf an. Die Bordtoilette – wenn überhaupt vorhanden – vermittelt ein nie gekanntes Raumgefühl. Ist das nicht so? „Ja, genau das brauchen wir, um glücklich zu sein“, erklärt Ulf. „Wir segeln am liebsten, wenn ein bisschen Wind ist, ab Windstärke vier bis sieben wird es für uns erst interessant und gehen raus aufs Meer. Es muss ein bisschen rau sein. So ein „Kaffeesegeln“ wie wir das heute gemacht haben ist nichts für uns. Das war nur euch zuliebe und damit die Segel mal ein bisschen abtrocknen.“
Videointerview
„Die Herausforderung beim Segeln
ist zu wissen, wie der Mensch mit den Naturgewalten umgehen kann.
Denn die Nordsee ist ein Biest."
Wir kommen sehr gut damit klar. Wir sind ein Team. Wir lieben viel Wind und die Herausforderung, die Nordsee zu besiegen. Diesen Kampf aufzunehmen. Wenn man dann abends nach einem schönen Törn im Hafen liegt, dann ist das das schönste Gefühl. Man hat den Kampf gewonnen.“
Segeln ist ein Schachspiel mit dem Wind. Man muss den Wind auf dem Wasser und aus den Wolken lesen können, bevor er in die Segel kommt. Nur wer genau beobachtet und vorausdenkt, kann handeln und letztendlich gewinnen. Monika und Ulf sind an Bord wie im normalen Leben Teamplayer. Sie müssen sekundenschnell entscheiden, welches Manöver sie als nächstes mit ihrem Schiff fahren wollen. Jeder Handgriff muss sitzen. 30 Tonnen Stahl, bleiben nun mal 30 Tonnen auch wenn sie als Schiff geformt sind. Segeln ist Meer. Viel Meer. Das Wechselspiel des Lichts und der Farben, wenn Wolken und Sonne sich abwechseln, ist berauschend. Die Gefühle und Emotionen, die sie beim Segeln täglich erleben, sind bewegend und entspannend zugleich.
NAch dem Turn ging's auf die Wäscheleine
Die Tochter mit Mann und zwei Kindern segelt gerade mit einer Dehler DB1, eine Regattayacht aus den 80ern, für drei Monate auf der nördlichen Halbkugel. Einfach so. Wow, wir staunten nicht schlecht, aber Monika schmiss adhoc einen typischen „Moni“-Spruch in die Runde: „Eine Tupper. Nix für mich. Ich brauche Rost!“. Genau solche Sätze machen die beiden aus. Sie sind authentisch, liebenswert, locker, einfach nur echt, weltoffen, tiefgründig und würden, wenn sie könnten, die ganze Welt umsegeln, wenn die Welt danach dann ein bisschen besser wäre. Auf die Frage, ob sie auch Gäste mit an Bord nehmen, kam ein klares „Nein“. Das hier gehört nur uns zwei. „Den letzten, den wir als Gast an Bord hatten, war danach so fertig, der musste erst mal über die Wäscheleine“, lacht Ulf.
Man kann irgendwie gar nicht anders, als die beiden zu mögen. Oder vielleicht sollte man sagen: als sie lieb zu gewinnen. Wir sind als Fremde an Bord gekommen und gingen als Freunde. Das hat man selten und vielleicht funktioniert das auch nur bei Monika und Ulf so schnell und so herzlich. Und vielleicht ist da ja auch das Segeln der entscheidende Faktor. Auf hoher See findet der Mensch noch Emotionen und Geschichten die echt sind. Denn dort herrscht eine andere Zeit, ein anderer Rhythmus. Und wer darin aufgeht, sich hingibt, wird wahrscheinlich tatsächlich zu einem anderen, gelasseneren Menschen.