Hafenmeisterin

HILKA HANNOVER

 

Hilka Hannover, die ursprünglich aus Rinteln im Weserbergland kommt, ist eine Frau, die auch noch als Rentnerin mitten im Leben steht. Ihr Herrschaftsgebiet ist der Hafen in Horumersiel, genauer gesagt, der Yachtclub Wangerland im Wangerland an der Nordsee, wo sie seit sechs Jahren als Stegwartin arbeitet und die ankommenden Schiffe durch den Hafen bugsiert. Ihr Büro ist ihr Schiff, wo wir es uns bei unserem Besuch erst mal gemütlich machen. 

 
 

Über uns scheint die Sonne, und eine steife Brise fegt durch den Hafen. Ein Sturm hat sich angesagt. Umso mehr freuen wir uns, dass wir jetzt schön im Trockenem sitzen, in Hilkas gemütlichem Schiff, das inzwischen 30 Jahre auf dem Buckel hat und sie ein Großteil ihres Lebens begleitet hat: „Früher waren wir jedes Wochenende mit dem Boot unterwegs und haben damit mit den Kindern Urlaub auf der Insel  Helgoland gemacht.“

Und während sie schnackt und schnackt, bietet sie uns, weil es draußen so ungemütlich wird, erst mal einen „kräftigen Schluck Kümmel“ an. Das klingt verführerisch, aber vor 18 Uhr trinken wir nicht. Hilka hält es da etwas anders und lacht laut in die Runde: „Fährt ein Auto ohne Sprit? Ich auch nicht!“ Und wieder lacht sie. Das Ganze ist natürlich nur Spaß. Auch Hilka trinkt keinen Alkohol während der Arbeitszeit. „Friesen machen gerne mal ein Späßchen mit Besuchern“, sagt sie. Wir sehen uns derweil ein bisschen auf dem Boot um. Hilka hat alles da: Tiden-Kalender, Schiffsgläser, die nicht umfallen und jede Menge Post von Leuten, die Hilka über den Yachtclub kennengelernt haben.

 
 
 
 
 

Der Soundtrack zur Geschichte von 3 Miles to Essex

 
 
 
 
 
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Die Leute, die mit den Schiffen kommen, rufen meist vorher bei Hilka an und fragen, ob sie noch einen Liegeplatz frei hat und wo sie anlegen können. Andere kommen einfach so. In der Hauptsaison klingelt dann ständig das Telefon - zum leichten Leidwesen ihres Mannes Dieter, der auch Rentner ist und mit dem Hilka, wie sie mit ihrem charmanten, rollenden R erzählt, „über 100 Jahre“ verheiratet ist: „Weil wir ja von morgens bis abends zusammen sind, das zählt doppelt.“

Ja, Hilka ist eine sehr humorvolle Person: „Da ist immer Spaß.“ Dass sie in ihrem Job immer nett und hilfsbereit sein muss, fällt ihr leicht. Weshalb sie nicht lange zögert und sofort zur Stelle ist, als jemand ihre Hilfe braucht, weil er wegen des Sturms sein Schiff umlegen muss. „Jetzt müssen wir alle mit anpacken“, sagt sie und schon geht es los.

 

 
 

Videointerview

 
 
 

In der Hochsaison hat Hilka pro Tag 15 Schiffe zu delegieren. „Die muss ich überall hinschieben, das ist nicht so einfach.“ Für den kleinen, aber feinen Hafen des Yachtclubs, der immerhin 72 Plätze hat, bedeutet das ganz schön Stress. Aber Hilka ist nicht aus der Ruhe zu bringen, sie hat alles im Griff. Nur wenn Segler die Plätze nicht auf Rot markieren, wird sie etwas ärgerlich. 

In einem Kasten liegt ein Klebestreifen, auf dem die Segler notieren müssen, wer wann weg ist und oder wiederkommt. Nur so, weiß Hilka Bescheid. Wer im Yachtclub anlegen will, sollte sich besser anmelden: „Wer nicht anruft, hat Pech. Sonst kann ich nichts machen. Einmal habe ich einen dagehabt, den habe ich dreimal umlegen müssen. Das mache ich nie wieder. Wer vorher nicht auf rot markiert, der muss sehen, wo er später einen freien Platz bekommt.“

 
 

Im Yachtclub ist eigentlich immer was los, kein Wunder: Ob mit dem Auto oder mit dem Boot - es zieht die Leute ins Wangerland an der Nordsee. Und Hilka, die vor 17 Jahren mit ihrem Mann hierhergekommen ist und sich in Horumersiel niedergelassen hat, ist es nicht anders gegangen: „Wir sind als Schifffahrts-Gast gekommen und wussten, das ist etwas für später. Und jetzt wohnen wir hier, haben ein Häuschen gekauft, und es geht uns gut! Das Wangerland ist perfekt für uns, weil mein Mann und ich das Wasser lieben. Außerdem liebe ich Blumen und Pflanzen und habe hier einen sehr schönen und großen Garten, um den ich mich liebevoll kümmere“. 

Da passt der Minijob als Hafenmeisterin im Yachtclub Wangerland natürlich perfekt. Jeden Tag kommt sie morgens gegen 10 Uhr in den Hafen. Auf keinen Fall vorher: 

„Die Gäste wollen ja schlafen!“ Dann kassiert sie; fragt, wie lange sie bleiben, und kommt abends wieder. „Ich muss ja schauen, dass ich die neu ankommenden Gäste erwische. Aber mit Verlusten muss man rechnen.“ Es gibt nämlich immer wieder auch Leute, die abhauen - ohne zu zahlen. Und da kann sie einige Geschichten erzählen. „Ich hatte mal ein Schiff liegen, und es ist keiner gekommen, der bezahlt hat, der war dann weg. Da habe ich den Nachbarn gefragt, wie das Schiff hieß. Und wisst ihr, was er gesagt hat? ‚Es war dunkelblau und hatte drei Fenster.’ Damit konnte ich natürlich nichts anfangen.“

 
 

Die meisten Menschen sind aber ehrlich und kommen auch mal auf einen Kaffee zu Hilka aufs Boot. Alle wissen: Der Yachtclub ist ihr Revier. Und das wird es auch noch eine Weile bleiben: „Die finden ja sonst niemanden, der das macht und ich wohne ja gleich um die Ecke!“ Ihr Mann Dieter hätte eigentlich gern, dass sie aufhört – dabei hat er sie zu dem Job gebracht. „Aber wenn ich zuhause sitze, hat er mir auch nicht viel zu sagen.“ Das sagt sie so und lacht wieder.

Hilka könnte sich, und das ist bei uns ja nicht anders, jedenfalls keinen schöneren Platz zum Arbeiten und Leben vorstellen: „Das Wangerland ist so schön, die Luft ist sehr gut.“ Und außerdem schätzt sie die Freiheit hier oben; mit dem Boot einfach mal losfahren nach Helgoland oder zur Insel Wangerooge zum Beispiel. Aber das, nun ja, ist ja nun nicht mehr so einfach in der Hauptsaison: „Jetzt haben sie mich verdonnert und jetzt sitze ich hier im Hafen!“ Sie lacht und sagt homuorvoll: „Darauf einen Kümmel-Schnaps!“ 

Tschüss Hilka, es war schön mit dir! Auf der Fahrt nachhause staunen wir einmal mehr, was das Wangerland doch immer wieder für faszinierende Persönlichkeiten anzieht. Menschen, die einfach ihr Ding machen. Mit sehr viel Witz und Gelassenheit.